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Tief bewegendes Tanztheater im Theaterhaus Stuttgart T2

Erschütterung. Andonis Foniadakis holt in „Salema Revisited“ kretische Tänze ins Jetzt, und der Londoner Botis Seva erzählt in „BLKDOG“ vom Kampf des Erwachsenwerdens. 

Tief bewegendes Tanztheater im Theaterhaus Stuttgart T2

Die Andonis Foniadakis Dance Company kommt mit ihrer Produktion „Salema Revisited“. Foto: Charis Akriviadis

„Salema“ beschreibt im Griechischen den Kampf mit der Zeit, der Unbeweglichkeit und dem Jetzt. Aber es meint auch ein Erbeben und ein Schütteln des Körpers, symbolisch das Zittern des Geistes im Wahnsinn. „Salema Revisited“ nennt der griechische Choreograph Andonis Foniadakis seine Kreation, die im Herbst 2021 in Athen uraufgeführt wurde. Darin begibt er sich auf die Spur der Musik und Tänze seiner Heimat Kreta – sind doch kretische Tänze untrennbar mit dem Alltag der Insel verwoben. Etwa 25 Grundtypen verzeichnet das Tanzerbe, doch es existieren unzählige Variationen – von Ort zu Ort, Person zu Person.

Dies waren die ersten Tänze, die Foniadakis in seinem Leben sah: damals als junger Mann, der nichts anderes als Tanzen wollte. Von seiner Insel zog er in die Hauptstadt Athen, dann ins Herz Europas, wo er bei den Großen des zeitgenössischen Balletts lernte bald selbst zu choreografieren begann. Mit seinem eigenwilligen Stil, einem atemlosen, überraschenden Hochgeschwindigkeitstanz, eroberte er die Tanzwelt im Rekordtempo. Kreta behielt er dabei stets in seinem Herzen: Jeden Sommer kehrte Foniadakis dorthin zurück. Nun ließ er sich inspirieren von den Tänzen seiner Heimat, ihrer Schönheit, den sprungkräftigen Rhythmen. Sie und ihre Geschichten hat er ins Jetzt mitgenommen.

Andonis Foniadakis lässt Tradition auf Moderne, Erinnerung auf Abstraktion treffen. Dazu gehört etwa der stolze Pentozalis. Den tanzten die wehrhaften Kreter am 10. Oktober 1769, als sie ihre Revolution gegen die osmanischen Herrscher begannen, so wild, dass sie für Dämonen gehalten wurden. Auf dieser mystische Reise vom alten Kreta in die Gegenwart der Hellenen sind auch vier Musiker und der Komponist Paris Perisinakis dabei. Sie begleiten die Tänzer live auf traditionellen Instrumenten. Im Parallaxi Magazine steht zu „Salema Revisited“: „Selten bewegt mich das Theater so tief, erhebt mich so hoch und treibt mir beim Zusehen Freudentränen in die Augen. In den 50 Minuten, die diese dionysische Reise ins Land Kreta dauert, diese 50 wundervollen Minuten, in denen die Seele mit den Beinen und Armen der Tänzer flattert, in dieser großen Illusion, deren herausragendes Orchester die kretische Musik auf so eine moderne Weise vergöttert, hat man ständig das Gefühl, dass es einzig auf die Weise Sinn macht, sich der Tradition auf eine moderne Weise zu nähern, wie Andonis Foniadakis es tut.“ Zu sehen ist „Salema Revisited“ am 7. und 8. Juli jeweils um 20.30 Uhr in T2.

Die renommierte Kritikerschaft des Vereinigten Königsreiches wiederum ist voll des Lobes für Botis Sevas Choreografie „BLKDOG“ und seine Company Far From The Norm. „Hier wird der Kampf um Verständnis und Versöhnung zwischen dem inneren Kind und seinem erwachsenen Selbst zu einem Schlachtfeld der Erregung und Verwirrung“, heißt es in Wonderful World of Dance. Im honorigen The Guardian wird BLKDOG als tief bewegende Arbeit über Traumata beschrieben. „Durchweg erzählen die Bilder vom Gefällt werden, vom Dahinhumpeln und Stolpern, vom Zurückgehaltenwerden und Gefesseltsein.“ Auf der Online-Plattform www.londontheatre.co.uk wiederum wird geschwärmt, wie das Stück das Publikum in seinen Bann ziehe, Verzweiflung und Hoffnung mit einer ansteckenden Energie zeige, während es „die relevanten, aktuellen Themen frontal angeht“.

Der Choreograf Botis Seva selbst betont, sein Stück sei für die Menschen ohne Stimme, „... für alle, die in sich gefangen sind, selbst wenn ihr Herz ihnen sagt, dass es Liebe finden will“. Und so erzählt er in dunklen Bildern vom Erwachsenwerden, von Frust, Zorn und Depression. Aber auch Reminiszenzen einer sorglosen Kindheit kommen auf, dargestellt mit Humor und Momenten größter Zartheit. Die Fragen hinter allem indes lauten: Warum kommt Gewalt ins Leben, wenn man erwachsen wird? Ist sie von klein an in uns angelegt? Und: Können die harten jungen Männer das Kind in sich behalten, es in die raue Welt da draußen hinüberretten? Botis Seva inszeniert im Mix aus Hip Hop und freien Formen einen wilden Kampf, der gegen andere und sich selbst entbrennt. Sehr persönlich aber auch politisch geht dabei der Londoner mit seiner Company Far From The Norm ans Werk, bringt theatralischen, experimentellen Hip Hop zusammen mit Stücken über Hooligans, Nomaden oder Black Lives Matter. „BLKDOG“ entstand 2018 zum 20-jährigen Bestehen des Londoner Tanzhauses Sadler’s Wells und gewann prompt den Olivier Award als beste neue Tanzproduktion. Und der Titel? Der könnte auf Winston Churchill anspielen. Der einstige Premier Großbritanniens, der das Land durch den Zweiten Weltkrieg führte, nannte seine depressiven Phasen „Black Dog“. Botis Sevas Choreografie steht am 15. und 16. Juli jeweils um 20.30 Uhr auf dem Programm in T2. peix 

Blick aus Afrika

Perspektivwechsel. Mit „The Sacrifice“ betrachtet Dada Masilo erneut einen Klassiker auf eigene Weise.Perspektivwechsel. Mit „The Sacrifice“ betrachtet Dada Masilo erneut einen Klassiker auf eigene Weise.

Berühmt geworden ist die südafrikanische Choreografin Dada Masilo mit radikalen Neuinterpretationen von Ballettklassikern wie „Schwanensee“ oder „Carmen“. Jetzt hat sie sich von „Le sacre du Printemps“ inspirieren lassen – einem der skandalumwittertsten Ballettstücke der Tanzgeschichte. „Was opfern wir in unserem täglichen Leben?“ fragt sich Dada Masilo und spannt in ihrer eigenwilligen Version den Bogen von beschwörenden, lebensbejahenden Riten bis zur Opferbereitschaft einer Einzelnen, einem sanften und tieftraurigen Abschied.

Auch in diesem Stück geht es um schwarze Identität, um Gewalt gegen Frauen und um Gerechtigkeit. Die Choreografie ist geprägt von den kraftvollen, authentischen Bewegungen des traditionellen Tswana-Tanzes aus Botswana. Die Musik zu „The Sacrifice“ wird live gespielt. Es sind Klänge, die changieren zwischen afrikanischer Percussion, Folkrhythmen und einer einsamen Klage. Mit dieser Produktion öffnet Dada Masilo den Blick für eine Sichtweise von der anderen Seite des Äquators aus. Zu sehen am Dienstag, 12. Juli, um 20 Uhr und Mittwoch, 13. Juli, um 20.30 Uhr in T1. red 
      

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